Open Mic bei der Premierenfeier

VERÖFFENTLICHT AM: November 28, 2018

Nach 1,5 Jahren Vorbereitungszeit, 3 Wochen Vorproben, 4,5 Wochen Recherchereise durch Burkina Faso (inkl. Filmdreh) und 3 Wochen Endproben im Schauspielhaus Graz war es am Freitag, dem 23.11.2018 endlich soweit: Die Revolution frisst ihre Kinder! feierte Premiere.

 

Nach drei Stunden Spielzeit fällt der Vorhang, es ist vollbracht.

Bei der Premierenfeier gibt es keine offiziellen Ansprachen, sondern ein Open Mic. Jede*r, die/der möchte, kann sich das Mikrofon nehmen und etwas sagen. Neben Iris Laufenberg und Jan-Christoph Gockel, ergreifen unter anderem auch Komi Mizrajim Togbonou und Dorothea Marcus das Wort. Komi spricht über Ghana, wo der Präsident Nana Akufo-Addo alle aus Ghana emigrierten Bürger*innen wieder in sein Land zurückgerufen hat, spricht von 2019 – dem „year of return“. Dorothea Marcus, eine Journalistin, die die Reise durch Burkina Faso begleitet hat, erzählt von Yacouba Sawadogo, dem am selben Abend der „alternative Nobelpreis“ verliehen wurde. Gemeinsam mit dem Team konnte sie Yacouba Sawadogo in Burkina Faso persönlich kennenlernen, gemeinsam mit ihm unter den Bäumen sitzen, die dank des innovativen Projekts zur Aufforstung der Sahelzone mitten in der Wüste gewachsen sind.

– K.L.
Foto: LupiSpuma

Kritikenrundschau

„Diese Art Fake-Doku hat vor allem ein Ziel: Sich genau jenen Fallen zu stellen, die der postkoloniale Diskurs bei so einem europäisch-afrikanischen Brückenschlag zu offerieren hat. Schauspieler gehen als Schauspieler mit den Werten der europäischen Aufklärung in Burkina Faso hausieren und scheitern damit zwangsläufig. Das ist ziemlich genial. (…) Die Inszenierung spielt mit dem eigenen Inszenierungsvorhaben und kann so ihre eigene Selbstgerechtigkeit, ihren Rassismus, ihre Blindheit von allen Seiten ‚herzeigen‘. Das macht sie in gewisser Weise unantastbar. Aber als Zuschauer hat man in die Tiefe ihrer Widersprüche geblickt.“
Der Standard, 25.11.2018:

„ein großer, ein wichtiger Abend.“
Kronen Zeitung, 24.11. 2018:

„Wenn’s ernsthaft politisch wird, hat dieser Theaterabend seine Meriten.“
Nachtkritik, 23.11.2018

„Jan-Christoph Gockel bringt an diesem Abend so einiges zusammen: Europa und Afrika, politisches Theater und Backstage-Komödie, Doku und Fake-Doku, Büchner und Burkina Faso.“
Süddeutsche Zeitung, 28.11.2018

„Jede Menge Filmmaterial, Straßenszenen und Holzpuppen sowie Anstöße zum Nach- und Umdenken – verwoben in dem Theaterprojekt „Die Revolution frisst ihre Kinder!“. Eine verblüffende Begegnung mit Afrika (…)“
Kleine Zeitung, 24.11.2018

„Die Revolution frisst ihre Kinder“ von Jan-Christoph Gockel macht klar, dass Zeitgeschichte auch am Theater unter den Nägeln brennen kann. Dieses Stück ist ein wildes Hybrid, raubt einem den Atem, drückt auf die Tränendrüsen, poltert über sich selbst und klärt auf, nach Art des Hauses. Oder genauer ausgedrückt: Nach Art von Jan-Christoph Gockel. (…)
Trotz aller theatralen Eingriffe gelingt es, die jüngste Geschichte von Burikana Faso spannend nachzuerzählen. Aber nicht nur. Denn auch die Reflexion über das Theater, über den Kolonialismus und darüber, wie wir die kulturelle Annäherung von europäischen Künstlerinnen und Künstlern in Afrika ohne besserwissende Attitüden funktionieren kann, erhält breiten Raum. Und das nicht nur intelligent, sondern extrem unterhaltsam. (…)
Die politischen Ereignisse in Burkina Faso beleuchtet der Regisseur nicht nur von einer Seite. Nämlich jener Erzählweise, mit der Thomas Sankara zum Nationalhelden mutierte, nachdem er – so wird kolportiert – von seinem besten Freund Blaise Compaoré umgebracht wurde. Gockel lässt auf der Bühne auch jene Argumente vorbringen, die Blaise verwendete, um den Tod des ehemaligen Revolutionärs zu rechtfertigen. (…)
Ein weiterer, wichtiger Erfolgsbaustein sind die Marionetten von Michael Pietsch, die Danton, Robespierre, sowie Sankara und Blaise lebendig werden lassen. Überaus realistisch gearbeitete, feine Gesichter tragen maßgeblich dazu bei, dass das Spiel mit ihnen das Publikum in seinen Bann zieht. Wie die Danton-Marionette auf ihr lebendes Alter-Ego trifft, sie dabei ganz nahe beieinander stehen, nur durch den feinen Projektionsvorhang getrennt, berührt extrem. Genauso wie jene Szene, in welcher das Ensemble mit der Marionette von Sankara in dessen Wohnhaus einkehrt, in dem seine Geschwister auf diese Art und Weise noch einmal mit ihrem verstorbenen Bruder sprechen können.“

European Cultural News, 23.11.2018