LJOD | DAS EIS | DIE TRILOGIE

Mit Sebastian Brandes, Simon Braunboeck, Vincent Doddema, Monika Dortschy, Gesa Geue, Mark Ortel, Leoni Schulz, Johannes Schmidt, Lotta Yilmaz / Fiona Metzenroth |  Regie: Jan-Christoph Gockel | Bühne: Julia Kurzweg | Kostüme: Dorothee Joisten | Musik und Hörspiel: Matthias Grübel | Livezeichnung: Seda Demiriz | Video Gestaltung: De-Da Productions, Vanessa Dahl, Christoph Schödel | Live-Kamera: Vanessa Dahl | Licht: Frederik Wollek | Dramaturgie: Rebecca Reuter | Dramaturgische Mitarbeit: Bernd Ritter | Fotos: Andreas Etter | Premiere: 26.04.2019



Die russische Gesellschaft wird von einer geheimen Gemeinschaft unterwandert. Ihre Mitglieder entführen blonde, blauäugige Menschen und schlagen ihnen mit einem speziellen Hammer aus Eis die Brust auf. Bei diesem brutalen Ritual entpuppt sich, ob die Menschen hohl sind, also als lebende Tote auf der Erde wandelten oder ein „lebendiges Herz“ haben. Beginnt ihr Herz zu sprechen, gehören sie zu den 23 000 erwählten Brüdern und Schwestern, einer weltbeherrschenden Elite, die die Nazis, den Sowjet-Staat und unsere heutigen Konsumwelten unterwandert haben.

Der Autor Vladimir Sorokin gilt als einer der schärfsten Kritiker des politischen Systems in Russland. Nach eigener Aussage ist das gegenwärtige Russland nur noch mit grotesken Mitteln der Satire abzubilden. Doch die Verschwörungstheorie in seiner utopischen Romantrilogie reicht weit über Russland hinaus. Entstanden ist ein fantastisch apokalyptisches Politmärchen, in dem er auf verstörende und bildgewaltige Art die menschliche Suche nach dem verlorenen Paradies thematisiert.

Die drei Romane LJOD – Das Eis, BRO und 23 000 werden an einem Abend als Theatermarathon zu sehen sein.

„Mutig und reizvoll.“, nennt die FAZ Rhein-Main (30. April 2019) den Abend. „Das ist, in all seiner Brutalität, auch Satire. Ein Versuch, den Irrsinn der Menschheitsgeschichte in einer noch irreren Story, einer Mischung aus Science-Fiction, Schnulze, Thriller und Parodie zu bergen. So ist das in Vladimir Sorokins Roman „Ljod – Das Eis“ aus dem Jahr 2002 und noch mehr, wenn Hausregisseur Jan-Christoph Gockel jetzt am Staatstheater Mainz die Ganoven und Prostituierten, die Internettrolle und was da so kreucht Mutmaßungen darüber anstellen lässt, wer eigentlich diese „Icehammervictims“ in Serie herstellt."
FAZ RHEIN-MAIN, 30. April 2019

Die Frankfurter Neue Presse bezeichnet den Abend als „anarchistischen Parforce-Ritt.“: „Vladimir Sorokins „Eis-Trilogie“ gelingt am Staatstheater Mainz als drastischer, furioser Bühnenmarathon. (…) Jan-Christoph Gockel hat die kruden Sektenmitglieder mit viel Drive auf die Bühne des Kleinen Hauses am Staatstheater Mainz geschickt und aus Sorokins Trilogie sechs Folgen geschneidert.“
FRANKFURTER NEUE PRESSE, 03. MAI 2019

„Ljod – Das Eis – Die Trilogie“ ein ehrgeiziger und großer, bildstarker und eigensinniger Theaterspaß, den neun Schauspieler*innen hervorragend stemmen.“
NACHTKRITIK.DE, 26. APRIL 2019

„Drei Romane, fünf Stunden Spieldauer, null Langeweile. Er ist ein raffinierter Kerl, dieser Mittdreißiger Jan-Christoph Gockel. (…) Frappierende Szenen- und Lichtwechsel, Hörspielmomente, Handlungstheater, Erzähltheater, Publikumsansprache, Gesang, Tanz, Tragik, Komik, Surrealität: Das zehnköpfige Ensemble agiert in bemerkenswerter Darstellungsvielfalt. (…) Inhaltlich interessant wird das Geschehen durch den Umstand, dass es Parteiergreifen unmöglich macht. Teufel und Belzebub, Regen und Traufe stehen sich als Alternativen gegenüber."
RHEIN-ZEITUNG, 29.04.2019

Hintergrund

Aus „Es war schon immer gefährlich, ein russischer Schriftsteller zu sein“, Interview von Daniel-Dylan Böhmer mit Vladimir Sorokin (Spiegel Online 11.10.2002)

In Ihrem neuen Buch „Ljod. Das Eis“ sucht eine barbarische Sekte die wahre Menschlichkeit in den „sprechenden Herzen“ von Opfern, denen zuvor der Brustkorb mit Eishämmern aufgeschlagen wurde. Viele haben dies als eine Ode auf Liebe und Erlösung verstanden. Liegen sie mit dieser Deutung richtig?

Nein, das Gegenteil ist der Fall – es ist eher eine Satire auf die Kommerzialisierung von Liebe und Erlösung. Natürlich ist es keine reine Satire. Eher ein metaphysischer Roman, bis jetzt mein wichtigstes Buch, denn 99 Prozent der Menschen streben nach Glück. Auf einer anderen Ebene ist es ein Roman über die Automatisierung des menschlichen Lebens und der Liebe allgemein. Der Mensch bewegt sich Richtung Glück, aber auf dem Weg dahin bleibt der Dreck an ihm hängen wie an einem Igel – das sind unsere Automatismen. Und irgendwann besteht unser Leben aus Alltag. Wir tauschen nur Textblöcke aus, die keinen Sinn mehr haben. Selbst im Liebesakt, der eigentlich der aufrichtigste Moment im Lebens sein sollte, flüstern wir uns Klischees zu. Und aus der Enttäuschung, die das hervorruft, entstand dieser Roman.

Interview mit Jan-Christoph Gockel

Das Interview lesen Sie hier.