Uraufführung

Ramstein Airbase: Game of Drones

Mit Sebastian Brandes, Monika Dortschy, Denis Larisch |Regie: Jan-Christoph Gockel | Bühne & Kostüme: Julia Kurzweg | Video: Florian Rzepkowski | Dramaturgie: Jörg Vorhaben |  Fotos: Andreas Etter | Premiere: 27.11.2015 |



„Der Krieg bekam durch die Drohnen etwas bizarr Persönliches. Männer umarmen Frauen. Jungs spielen Fußball. Die Menschen bestellen ihre Felder, hängen die Wäsche auf und heiraten. Sie haben ihr Leben gelebt, während ich in diesen Momenten keins hatte.“
Brandon Bryant, ehemaliger US-amerikanischer Drohnen-Operator

In der Nähe der rheinland-pfälzischen Gemeinde Ramstein befindet sich der größte US-Militärflugplatz außerhalb der Vereinigten Staaten: die Ramstein Airbase. Sie ist ein zentraler Umschlagplatz für Soldaten und Material, außerdem für Daten: Die Airbase spielt für die Kriegsführung mit Drohnen eine zentrale Rolle und dient als Schnittstelle zwischen Planung und Steuerung von Kampfdrohnen-Einsätzen. Die Drohnenpiloten sitzen Tausende Kilometer entfernt in den USA, nur über Ramstein kann das Signal schnell genug zu den unbemannten Flugobjekten gelangen. Einblick darin, wie dieses System funktioniert und welche Rolle Ramstein darin spielt, gab der Weltöffentlichkeit der ehemalige Drohnen-Operator Brandon Bryant. Er steuerte den Ziellaser für die Raketen der Drohnen und sagte darüber u.a. vor dem NSA-Untersuchungsausschuss des deutschen Bundestags aus. Im Oktober 2015 haben wir ihn im Staatstheater Mainz getroffen. Das Gespräch mit ihm diente als Grundlage für dieses Theaterprojekt – Bryant tritt im Theaterabend als zentrale Figur auf und trifft auf Figuren aus der Serie GAME OF THRONES sowie einen jungen Menschenrechtsanwalt. Er ist in der Nähe der Airbase aufgewachsen und beschreibt sein Heranwachsen neben dem „Disneyland im Pfälzer Wald“ und wie sich sein Amerikabild mit dem Erwachsenwerden verändert hat.

Recherchen brachten das Team um Jan-Christoph Gockel, der selbst in der Nähe der Airbase aufgewachsen ist, in Kontakt mit investigativen Journalisten, wie John Goetz und Christian Fuchs  sowie dem Menschenrechtsanwalt Wolfgang Kaleck, der mit dem ECCHR Opfer von Drohnenschlägen vor Gericht vertritt.

2018 aktualisierte das Team den Abend und zeigt ab sofort eine „reloaded Version“: die Trump-Edition.

Neue Termine folgen.

„Es ist einer dieser Theaterabende, die eine bedrängende Beunruhigung hinterlassen. Weil er abstrakte Informationen – Zeitungswissen und nüchterne Daten – sinnlich erfahrbar macht.“
Die deutsche Bühne, Vanessa Renner, 29.11.2015

„ein gelungenes Stück mit viel politisch-brisantem Sprengstoff“
Stuz, Sinan Köylü, Januar 2016

"Jan-Christoph Gockel hat ein Theaterprojekt erarbeitet, das sich geschickt zwischen Heimatabend, Diskurstheater und politischer Aufklärungsarbeit bewegt.“
Theater heute, Februar 2016

„politisches Theater mit ausgeprägtem Unterhaltungsfaktor“
Theater der Zeit, Februar 2016

„Wie Gockel mit ‚Ramstein Airbase’ aufzeigt, in welcher Welt wir eigentlich leben, hallt noch lange nach. So geht zeitgenössisches Theater.“
Pepper, Daniel Holzer, 21.10.2016

Hintergrund

„Über die Ramstein Air Base“, Jörg Vorhaben

Im zweiten Weltkrieg benutzte die Deutsche Luftwaffe einen Abschnitt der Reichs-Autobahn nahe der kleinen Ortschaft Ramstein als Behelfsflughafen. 1951 begannen die Amerikaner zusammen mit den Franzosen mit der Erweiterung der Basis, deren südlicher Teil ab 1952 den Flugplatz beherbergte. Im nördlichen Teil befand sich ab 1953 die Ramstein Air Force Installation mit Hauptquartieren und Verwaltung. Beide Teile wurden schließlich 1957 unter dem Namen Ramstein-Landstuhl Air Base zusammengelegt. Zunächst waren dort Kampfflugzeuge stationiert, seit 1971 auch Transportflugzeuge. Das Hauptquartier der United States Air Forces in Europe (USAFE) wurde 1973 von Wiesbaden-Erbenheim dorthin verlegt. 1974 wurde das Headquarter Allied Air Forces Central Europe (AAFCE) als Vorläufer des heutigen Headquarters Allied Air Command auf der Ramstein Air Base aufgestellt. Am 28.8.1988 kam es bei einer Flugschau zu einem tragischen Unglück. Während einer Darbietung stürzte eine Maschine in die Menschenmenge. 70 Menschen kamen ums Lebens. Die Band Rammstein benannte sich nach diesem Unglück.

Nach dem Ende des Kalten Krieges reduzierte die USA ihre Truppen in Deutschland erheblich. Viele Standorte wurden aufgegeben. Zwar gibt es seit 1994 keine dauerhaft stationierten Kampfflugzeuge mehr in Ramstein, aber vor allem nach der Schließung der Rhein-Main Air Base in Frankfurt wurde die Air Base für die amerikanischen Soldaten zum Tor nach Europa. Der Flugplatz ist heute die zentrale Drehscheibe für die Truppen- und Materialtransporte der US-Streitkräfte in Europa. Die Air Base wurde weiter ausgebaut. Zurzeit entsteht in Weilerbach, nördlich der Ramstein Air Base, ein neues Krankenhaus, das das Landstuhl Regional Medical Center ersetzen soll, das u.a. dazu dient, verwundete Soldaten aus Kampfgebieten zu versorgen.

„Ramstein und die Drohneneinsätze“, Jörg Vorhaben

Im Jahr 2000 entdeckte, mithilfe einer Drohne, der amerikanische Geheimdienst Osama bin Laden in Afghanistan. Da die damaligen Drohnen nicht mehr als 800km vom Ziel entfertn gesteuert werden konnten, aber die Länder in der Nähe des Ziels nicht für eine Kommandozentrale in Frage kamen, kam die Ramstein Air Base ins Spiel. Die Drohnen wurden damals durch eine kleine Mannschaft in der Nähe des Einsatzortes gestartet, und dann per Satellitenverbindung von Ramstein aus gesteuert. Aber bewaffnet waren sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Es wurde fieberhaft daran gearbeitet, sie mit Hellfire Raketen zu bestücken. Den Juristen des amerikanischen Verteidigungsministeriums wurde der Standort Deutschland zu heiß. Denn würde ein Pilot in Ramstein eine Hellfire Rakete abschießen, ohne die Zustimmung der deutschen Regierung, würden die USA gegen deutsches Recht verstoßen. Statt die Bundesregierung zu fragen, holten sie die Drohnenpiloten ins eigene Land und mussten „nur noch“ ein technisches Problem dafür lösen: Durch die Erdkrümmung würde es zu großen Zeitverzögerungen kommen. Um diese „Latenz“ möglichst gering zu halten, wurde die Split-Remote-Communication erfunden: Via Satellit kommt das Signal nach Ramstein und wird dann von dort per Glasfaserkabel in die Vereinigten Staaten gesendet. Dort sitzt dann z.B. in Cannon, New Mexiko ein Pilot in einem Container. Deshalb kann nun von Politikern behauptet werden, dass von amerikanischen Stützpunkten in Deutschland bewaffnete Drohnen weder geflogen noch befehligt werden. Aber ohne Ramstein wäre das Drohnenprogramm nicht möglich. Es befindet sich auf der Airbase auch das Air and Space Operations Center (AOC), eine Art Flugleitzentrale für Drohneneinsätze.

Die Ortung von Zielpersonen und deren Tötung erfolgt auf Grundlagen von Metadaten. Einer größeren Öffentlichkeit wurden diese Fakten durch den ehemaligen Drohnenpiloten Brandon Bryant bekannt gemacht. Der, seitdem er aus dem Militärdienst ausgeschieden ist, über seine Arbeit berichtet. Er widerspricht der Vorstellung, dass die Drohnenangriffe „präzise und saubere“ Tötungen von mutmaßlichen Terroristen ermöglichen. Vielmehr fielen diesen Operationen viele unschuldige Menschen zum Opfer. Seine detaillierten Aussagen vor der UN, dem NSA Untersuchungsausschuss und seine Aufklärungsarbeit wurden mit dem Whistle-Blower-Preis 2015 gewürdigt.