nominiert für den Nestroy-Theaterpreis 2010, eingeladen zum Heidelberger Stückemarkt

Psychiatrie!

Mit Gabriela Hütter, Katrin Kröncke, Eva Linder, Hagnot Elischka |Regie: Jan-Christoph Gockel | Raum: Judith Leikauf, Karl Feuriger | Video: Synes Elischka |  Fotos: Einmaliges Gastspiel | Premiere: 2010 |



Ilse A. leidet unter Angst- und Panik-Attacken; Eva-Maria Sch. unter schizophrener Denkstörung; von Franz A. wird behauptet, er sei alkoholkrank; Frau S. ist manisch-depressiv; Elli H. leidet unter Waschzwang; Herr W. laboriert schon lange an einer schizo-affektiven Störung mit religiösem Erlösungswahn; Karoline K. will sich jetzt endlich als Frau fühlen; Herr Franz Sch. hat oft sehr starke Schmerzen, die Ärzte jedoch behaupten, er sei gesund; Frau St. weiß nicht genau, wo sie sich befindet und warum …

PSYCHIATRIE! ist eine Theaterperformance, die auf einem bereits seit 15 Jahren laufendem Projekt mit der Psychiatrie des Wiener AKH (Allgemeines Krankenhaus) basiert. Dabei wurden drei Schauspieler zu Doppelgängern von Menschen mit psychischen Erkrankungen aufgebaut, damit Medizinstudierende Befragungstechniken lernen können. Bis zu diesem Zeitpunkt setzten sich „echte“ Patienten diesen Fragen aus und wurden oft Opfer ungeschickter, weil noch unausgebildeter Studierender. Aus den Erfahrungen der Schauspieler*innen entstand diese Theater-Performance. PSYCHIATRIE! ent-stigmatisiert psychische Krankheiten, hinterfragt die oftmals fließend verlaufenden Grenzen zwischen Gesunden und Kranken und wirft die Frage auf, inwiefern eine leistungsorientierte Gesellschaft an Zusammenbrüchen und Krankheiten ihrer Mitglieder Schuld hat und wie sehr sie bereit ist, diese Abweichungen von der Norm zu akzeptieren.

Die Produktion läuft seit vielen Jahren an unterschiedlichen Wiener Theatern und wurde auf Gastspielen u. a. in Linz, Stuttgart und beim Heidelberger Stückemarkt gezeigt.

Weitere Termine folgen.

 

Nominiert für den Nestroy-Theaterpreis in der Kategorie SPEZIALPREIS
Eingeladen zum Heidelberger Stückemarkt

„Eindrucksvoll inszeniert! Eine Mischung aus Dokumentation und Performance, die einen beklemmenden Einblick in die Untiefen der eigenen Seele gewährt.“
Die Zeit, 20.05.2010

Hintergrund

Aus „Kulturjournal zu Psychiatrie“, Stefanie Panzenböck

Bei Herrn W. wurde eine schizo-affektive Störung mit religiösem Erlösungswahn diagnostiziert und Hagnot Elischka vertritt ihn als simulierten Patienten beim Explorations-Praktikum der Medizinstudierenden. Bei dieser Lehrveranstaltung üben sie, eine erste Diagnose zu stellen, wenn ein Mensch zum ersten Mal in die psychiatrische Abteilung kommt. Ein Dreivierteljahr beschäftigte sich der Schauspieler Elischka mit der Lebens- und Krankengeschichte von Herrn W., war bei dessen Befragungen dabei, hörte sich immer wieder Tonbänder an, schaute sich Videos an, um den Studierenden nicht nur ein standardisiertes Krankheitsbild zu vermitteln, sondern um einen ganzen Menschen darzustellen, der bei jeder Befragung, je nach Situation, anders reagiert. Sätze und Abläufe auswendig zu lernen, ist dabei fehl am Platz, verwendet werden nur „typische Sätze und Wendungen“, wie Elischka sagt. Außer Elischka ließen sich noch Eva Linder und Gabriela Hütter zu Doppelgängerinnen ausbilden. Alle drei haben sich mit mehreren psychisch kranken Menschen beschäftigt und deren individuelles Verhalten verinnerlicht. Elischka beispielsweise lernte noch Herrn A. und dessen Alkoholkrankheit kennen. Linder simuliert Frau A., die unter Angst- und Panik-Attacken leidet, und Hütter setzte sich mit Frau S. und ihren Depressionen auseinander.

Initiiert wurde das Projekt vom Psychiater, Psychotherapeuten und Universitätsprofessor Gerhard Lenz vor 15 Jahren am Wiener AKH. Es ging ihm darum, Menschen, die tatsächlich unter psychischen Krankheiten leiden, nicht den unbedarften Fragen der Studierenden auszusetzen, die aber wiederum diese Befragungen in der Praxis trainieren müssen. Der Vorteil der simulierten Befragung sei, dass die Studierenden nicht befürchten müssen, Patienten zu belasten, und dass das Gespräch jederzeit unterbrochen werden könne, so Lenz.

Die simulierten Patienten reflektieren nach den Fragen, ob sie sich im Sinne ihrer Vorbilder wohl oder bedroht gefühlt haben oder ob zu laut und zu ungeduldig gesprochen wurde.