Mit: Mercy Dorcas Otieno, Florian Köhler, Julia Gräfner, Komi Mizrajim Togbonou, Michael Pietsch/Raphael Muff, Claude Bwendua | Regie: Jan-Christoph Gockel | Bühne: Julia Kurzweg | Kostüme: Sophie du Vinage | Puppenbau: Michael Pietsch | Maskenbau: Claude Bwendua | Dramaturgie: Karla Mäder | Musik und Hörspiel: Matthias Grübel | Premiere: 28. Oktober 2023
Die Welt wird dadurch verändert, dass Menschen in Präsenz, in der Gegenwart, handeln. Veränderung ist immer ein Akt der Gegenwart.
Elemawusi Agbédjidji
Mit einem geheimen „Auftrag“ soll die Französische Revolution auf die Sklavenhalter-Kolonie Jamaica ausgeweitet werden. Drei Emissäre sind auf dem Weg dorthin, um die Werte Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit als „Brandfackel der Freiheit“ in die Welt zu werfen. Doch der europäische Werteexport misslingt. Nicht nur, weil die Figuren ihre alten Rollen nicht überwunden haben, sondern auch, weil die gerade frisch entworfenen Werte in Europa selbst nicht reüssieren: Napoleon hat sich zum Kaiser gekrönt.
Der große ostdeutsche Autor und sprachmächtige Geschichtsmetaphoriker Heiner Müller, der in der Vergangenheit immer die Spuren seiner Gegenwart suchte, leistet 1980 mit dem Schreiben des „Auftrags“ poetische Trauerarbeit und zeigt das Scheitern einer Utopie. Und heute? Das europäische Sendungsbewusstsein ist stark angekratzt, findet aber trotzdem – gerade in Westafrika – kein Ende. Marshall- und Masterpläne werden nach wie vor in den europäischen Hauptstädten entworfen. Aber aus welchen Aufträgen lässt sich wirklich eine gerechte, gemeinsame Zukunft entwickeln?
Wo Heiner Müller in einer großen Bankrotterklärung endet, wird Jan-Christoph Gockel zusammen mit dem togoischen Autor Elemawusi Agbédjidji den Ansatz für eine neue Erzählung suchen. Zusammen entwickelten sie an den Münchner Kammerspielen „Wir Schwarzen müssen zusammenhalten. Eine Erwiderung“, eine Inszenierung, die dank digitaler Technik zeitgleich in München und Lomé stattfand. Nun schreibt Agbédjidji 43 Jahre nach Müller einen zeitgenössischen Kommentar auf dessen „Mann im Fahrstuhl“ und stellt sich die Frage, wie der zurückgelassene Fahrstuhl, eine Technologie, die dazu beitrug, Hierarchien zu manifestieren, in Zukunft genutzt werden kann.