Uraufführung | Nestroy-Theaterpreis 2019

Die Revolution frisst ihre Kinder!

Mit: Julia Gräfner, Florian Köhler, Raphael Muff, Michael Pietsch, Evamaria Salcher, Komi Mizrajim Togbonou | Im Video: Laurenz Leky Und: Diarra Isouf, Daniel Kaboré, Paul Kaboré, Moussa Kougaté, Viola Novak, Leopold und Cornelius Köhler-Novak, Ira Safi, Adjara Sanogo, Ezé Wendtoin und Banda Internationale, Dresden | Interviewpartner*innen im Video: Serge Bambara (alias Smockey), Aino Laberenz, Amsa Sankara, Blandine und Odile Sankara (Schwestern von Thomas Sankara), Felwine Sarr, Maria Goretti Zongo, Robert Zongo | Regie: Jan-Christoph Gockel | Bühne und Kostüme: Julia Kurzweg | Kostüme: Sophie Du Vinage | Puppenbau: Michael Pietsch | Video: Eike Zuleeg | Dramaturgie und Projektleitung: Jennifer Weiss | Reisebegleitung und Projektleitung: Gerhardt Haag |Fotos: Lupi Spuma | Premiere: 23.11.2018



„Setzt die Leute aus dem Theater auf die Gasse.“
Georg Büchner, DANTONS TOD

Das Projekt DIE REVOLUTION FRISST IHRE KINDER führt uns nach Burkina Faso. Den Oktober 2018 verbringen wir in der Hauptstadt Ouagadougou und bereisen das Land. Wir sind auf der Suche nach nichts Geringerem als einer Revolution!

DIE REVOLUTION FRISST IHRE KINDER begibt sich auf die Spuren der burkinischen Revolution von 2014, die den autokratisch regierenden Präsidenten Blaise Compaoré stürzte. Die ehemalige französische Kolonie Obervolta heißt seit 1984 Burkina Faso: „Land der aufrechten Menschen“. Namensgeber war der charismatische Unabhängigkeitskämpfer und Präsident Thomas Sankara, der „Che Guevara Afrikas“. Sankara wurde nach nur vier Jahren Präsidentschaft ermordet, mutmaßlich vom Regime seines Nachfolgers Blaise Compaoré. Das Regime Compaoré wurde am 31.10.2014, 27 Jahre später, durch einen Volksaufstand gestürzt. Mittendrin: Jan-Christoph Gockel, der zu der Zeit zufällig im Land war und das Projekt COLTAN-FIEBER probte: Der 31.10. hätte der Tag der Premiere sein sollen, die natürlich ausfiel. Stattdessen wurde erst gefeiert, dann eine Ausgangssperre verhängt, dann übernahm das Militär die Macht. Später wurde gewählt, heute gibt es eine demokratische Regierung. Und so ist unser Stücktitel als Frage zu verstehen: Was ist aus der Revolution geworden? Wie hat sich das Land verändert?

Nun reisen wir 2018 nach Burkina Faso, um das theatral zu erforschen. Gleichzeitig reisen wir auch zurück in der Zeit und erzählen die Geschichte einer Theatertruppe, die 2014 in eine Revolution gerät. Im Gepäck eine europäische Revolution, die französische oder vielmehr wie Georg Büchner sie in DANTONS TOD beschrieben hat und deren Protagonisten als Puppen: Danton und Robespierre treffen Sankara und Compaoré.

Neue Termine folgen.

Die Produktion hat den Nestroy-Theaterpreis 2019 in der Kategorie "Beste Bundesländeraufführung" gewonnen.
Jury-Begrüdung:
Mit dem NESTROY für die beste Bundesländer-Aufführung wurde 2017 Jan-Christoph Gockels Inszenierung „Der Auftrag: Dantons Tod“ (nach Heiner Müller und Georg Büchner) am Schauspielhaus Graz ausgezeichnet. Zwei Jahre später hat Gockel in Graz das Nachfolgeprojekt „Die Revolution frisst ihre Kinder!“ erarbeitet, das nun abermals für einen NESTROY nominiert ist. Das selbst entwickelte Stück handelt von einer Afrika-Expedition, die das „Auftrag“-Ensemble tatsächlich unternommen hat. Ihren Witz bezieht die Inszenierung daraus, dass sie die Rechercheergebnisse im Rahmen einer selbstironischen Fake-Doku präsentiert. Wir sehen einerseits Schauspieler, die nach Burkina Faso reisen und dort ganz ernsthaft Interviews mit Aktivisten führen, andererseits aber auch eine größenwahnsinnige Schauspieltruppe darstellen, die Geschichte machen will. Die naheliegende Kritik an seinem Projekt hebelt Gockel souverän aus, indem er sie offensiv selbst zum Thema macht. Politisches Theater oder Backstage Comedy? Doku oder Fake? Selten verlässt man das Theater so angeregt verwirrt wie an diesem Abend.
(Wolfgang Kralicek)

„Diese Art Fake-Doku hat vor allem ein Ziel: Sich genau jenen Fallen zu stellen, die der postkoloniale Diskurs bei so einem europäisch-afrikanischen Brückenschlag zu offerieren hat. Schauspieler gehen als Schauspieler mit den Werten der europäischen Aufklärung in Burkina Faso hausieren und scheitern damit zwangsläufig. Das ist ziemlich genial. (…) Die Inszenierung spielt mit dem eigenen Inszenierungsvorhaben und kann so ihre eigene Selbstgerechtigkeit, ihren Rassismus, ihre Blindheit von allen Seiten ‚herzeigen‘. Das macht sie in gewisser Weise unantastbar. Aber als Zuschauer hat man in die Tiefe ihrer Widersprüche geblickt.“
Der Standard, 25.11.2018:

„Jede Menge Filmmaterial, Straßenszenen und Holzpuppen sowie Anstöße zum Nach- und Umdenken – verwoben in dem Theaterprojekt „Die Revolution frisst ihre Kinder!“. Eine verblüffende Begegnung mit Afrika (…)“
Kleine Zeitung, 24.11.2018

„ein großer, ein wichtiger Abend.“
Kronen Zeitung, 24.11. 2018

„Jan-Christoph Gockel bringt an diesem Abend so einiges zusammen: Europa und Afrika, politisches Theater und Backstage-Komödie, Doku und Fake-Doku, Büchner und Burkina Faso.“
Süddeutsche Zeitung, 28.11.2018

„Die Revolution frisst ihre Kinder“ von Jan-Christoph Gockel macht klar, dass Zeitgeschichte auch am Theater unter den Nägeln brennen kann. Dieses Stück ist ein wildes Hybrid, raubt einem den Atem, drückt auf die Tränendrüsen, poltert über sich selbst und klärt auf, nach Art des Hauses. Oder genauer ausgedrückt: Nach Art von Jan-Christoph Gockel. (…)
Trotz aller theatralen Eingriffe gelingt es, die jüngste Geschichte von Burikana Faso spannend nachzuerzählen. Aber nicht nur. Denn auch die Reflexion über das Theater, über den Kolonialismus und darüber, wie wir die kulturelle Annäherung von europäischen Künstlerinnen und Künstlern in Afrika ohne besserwissende Attitüden funktionieren kann, erhält breiten Raum. Und das nicht nur intelligent, sondern extrem unterhaltsam. (…)“
European Cultural News, 23.11.2018

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