Coltan-Fieber

Mit Patrick Joseph, Gianni La Rocca, Laurenz Leky/ Michael Pietsch, Yves Ndagano | Regie: Jan-Christoph Gockel | Puppenbau: Michael Pietsch | Dramaturgie: Kerstin Ortmeier | Künstlerische Mitarbeit: Patrick Joseph | Fotos: Warren Saré | Premiere in Quagdougou: 31.10.2014 | Premiere in Kinshasa: 11.12.2014 | Premiere in Köln: 21.06.2015 |

COLTAN-FIEBER/LA FIEVRE DU COLTAN“ ist eine Koproduktion des Theater im Bauturm – Freies Schauspiel Köln mit dem Theater FALINGA und dem Festival Récréâtrales, Ouagadougou/Burkina Faso, dem Tarmac des Auteurs, Kinshasa/DR Kongo und dem Goethe-Institut Kigali/Rwanda. Die Produktion wurde gefördert durchdie Kulturstiftung des Bundes, Bezirksregierung Köln, Kunststiftung NRW, DEG -Deutsche Investitions-und Entwicklungsgesellschaft mbH / KfW Bankengruppe, Kulturstiftung Matrong, Rudolf Augstein Stiftung sowie durch das Auswärtige Amt / Aktion Afrika. Schirmherrschaft Prof. Dr. Gesine Schwan und Prof. Dr. Peter Eigen.



„Das ist deine Vision des Kongos, was? Ein hungerndes Kind! Bravo! Bravo zur europäischen Vision von Afrika.“
COLTAN-FIEBER

Ein globales Theaterstück: geprobt in Deutschland, Burkina Faso und der Demokratischen Republik Kongo, entwickelt von einem internationalen Team Kunstschaffender aus Belgien, Deutschland, der DR Kongo und Haiti.

Im Zentrum der seltene Rohstoff Coltan: Als einer der wichtigsten Rohstoffe für die Herstellung von Kondensatoren steckt er in vielen elektronischen Geräten wie Handys, Laptops, Kameras, aber auch in Spielkonsolen, Herzschrittmachern und sogar Interkontinentalraketen. Das Hauptabbaugebiet von Coltan befindet sich in Zentralafrika, im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Da der Ost-Kongo seit Jahrzehnten politisch instabil ist und von bewaffneten Konflikten heimgesucht wird, ist die weltweite Nachfrage nach Coltan mehr Fluch als Segen für die Region: Rebellengruppen und lokale Eliten finanzieren sich durch den Rohstoffhandel. Internationale Konzerne scheinen kaum Interesse daran zu haben, an den Verhältnissen etwas zu ändern, solange sie wirtschaftlich davon profitieren. Nach dem Abbau des Rohstoffs in den Minen vollzieht Coltan eine Reise, die es über verschiedene Stadien der Verarbeitung um die ganze Welt führt – und die leider häufig von Gewalt, Kinderarbeit und Ausbeutung begleitet wird, bis es in verarbeiteter Form schlussendlich beim Endverbraucher im „Store“ landet.

Der Theaterabend COLTAN-FIEBER erzählt die lange Geschichte der Ausbeutung von Ressourcen in der Demokratischen Republik Kongo und schlägt den Bogen von der Kolonialzeit bis zu heutiger Zwangsarbeit und der Rekrutierung von Kindersoldaten. COLTAN-FIEBER zeigt die Konsequenzen des belgischen Kolonialismus und die historisch gewachsenen Ausbeutungsstrukturen. Im Zentrum steht dabei die Geschichte von Yves Ndagano, einem ehemaligen Coltan-Minenarbeiter und Kindersoldaten aus dem Ost-Kongo. Seine Erfahrungen werden zum Kern des Theaterabends, er selbst ist als Schauspieler Teil von diesem. Yves Ndagano spielt sich jedoch nicht selbst: Die weißen und schwarzen Schauspieler tauschen in dieser Inszenierung die Rollen. Gianni LaRocca aus Belgien gibt Yves – Yves den weißen Konsumenten aus Europa.

Die Produktion ist stark geprägt von der Probenzeit in Burkina Faso, im Kongo und in Deutschland – das Ende des Stücks wird vom Kontext des Aufführungsortes geschrieben, es variiert. Während der Uraufführung 2014 kam es in Burkina Faso zu einer Revolution, bei der das Regime von Blaise Compaoré gestürzt wurde. Die Revolution fand Eingang in das Stück, weil sie auf eindrückliche Weise gezeigt hat, wie die Menschen ihr eigenes Schicksal in die Hand nehmen können. Das erste Gastspiel in Deutschland fand im Sommer der sogenannten Flüchtlingskrise statt. Dadurch erhielt der Abend einen gänzlich neuen Kontext: Denn die Geschichte von Yves ist auch die Geschichte einer Flucht.

Neue Termine in Planung.


Hintergrund

In einem aufwendigen chemischen Prozess werden aus dem Roherz Coltan die beiden seltenen Metalle Niob und Tantal getrennt. Man verwendet Tantal z.B. zur Härtung von Weltraumkapseln und Interkontinentalraketen, als Legierung für die Produktion von Düsenmotoren für Flugzeuge, von Turbinen für Kraftwerke, für immer kleinere und leistungsfähigere Kondensatoren, die sich z.B. in Mobiltelefonen, Mikroprozessoren und Digitalkameras befinden. Das Pentagon erklärte Tantal bereit 1975 zum strategischen Rohstoff. Doch erst die aufblühende Informationstechnologie ab Ende der 1990er Jahre und der Boom von Spielkonsolen und Handys hat Coltan so teuer und wertvoll gemacht.

Die weltweit größten Vorkommen des Roherzes liegen im Osten der DR Kongo, an der Grenze zu Ruanda und Uganda. In kaum einem Land spielt Coltan eine so große ökonomische Rolle wie dort. Seit 1996 herrschen im Ostkongo Bürgerkrieg bzw. fortdauernde bewaffnete Auseinandersetzungen. Mitten in den Krieg platzte die immense Nachfrage der Industrienationen nach Coltan. Mangels staatlicher Überwachung entwickelte sich der Bergbau unkontrolliert, Rebellengruppen besetzten Minen und finanzierten sich über den Rohstoffhandel. Die boomende Nachfrage der westlichen Industrienationen nach Kommunikations- und Unterhaltungselektronik half, die Konflikte im Ostkongo aufrecht zu erhalten und fachte sie sogar noch an. Einige Experten stellen einen direkten Zusammenhang zwischen der Einführung der Playstation 2 durch Sony im Jahre 2000 und einer Intensivierung der bewaffneten Auseinandersetzungen im Ostkongo her – was dem Konflikt den Beinamen „Playstation War“ einbrachte. Insgesamt sollen in den von Rebellen kontrollierten Minen mehr als zwei Millionen Kinder umgekommen sein.

Zwar zwingt der amerikanische Dodd-Frank Act /Sec. 1502 seit 2010 alle am US-Börsenmarkt notierten Unternehmen (und indirekt deren Zulieferer, egal woher sie kommen), nachzuweisen, dass keine Rohstoffe verwendet werden, die dazu dienen, bewaffnete Konflikte in Zentralafrika zu finanzieren. Doch die Wege des Coltans auf die globalen Rohstoffbörsen führen über so verschlungene Strukturen – teilweise korrupte lokale Behörden und eine Vielzahl von Zwischenhändlern – dass selbst ein verantwortungsbewusster Produzent am Ende die Herkunft des Minerals oft nicht mehr hundertprozentig nachvollziehen kann. Unzählige Kleinschürfer arbeiten nach wie vor im rechtsfreien Raum unter menschenunwürdigen und lebensgefährlichen Bedingungen. Die Demokratische Republik Kongo könnte eines der reichsten Länder Afrikas sein – neben Coltan gibt es bedeutende Vorkommen an Diamanten, Erdöl, Uran, Kupfer und Edelhölzern. Doch das Land ist eines der ärmsten der Welt. Der Westen (mittlerweile auch verstärkt der asiatische Raum) mit seinem immens hohen Bedarf an Rohstoffen steigert zwar die Nachfrage, aber eine positive Rückkopplung auf die Wirtschaftskraft der DR Kongo bleibt nach wie vor aus.