Die Revolution frisst ihre Kinder! | Der Film

Mit Raphael Muff, Serge Bambara, Laurenz Leky, Evamaria Salcher, Étienne Minoungou, Michael Pietsch, Komi Mizrajim Togbonou, Julia Gräfner | Regie: Jan-Christoph Gockel | Kamera: Eike Zuleeg | Musik: Smockey, Komi Mizrajim Togbonou, Matthias Grübel | Ton: Sanfo Halassane | Schnitt: Eike Zuleeg | Dramaturgie: Jennifer Weiss | Schnittberatung: Konstantin Bock | Ausstattung: Julia Kurzweg | Licht: Maman, Ulrich Zida, Thomas Trummer | Kostüme: Julia Kurzweg, Zénabou Zoungrana | Maske: Zénabou Zoungrana, Julia Kurzweg | Puppenbau: Michael Pietsch, Daniel Kaboré, Moussa Kougaté | Produktion: Schauspielhaus Graz , Iris Laufenberg | Produktionsleitung: Jennifer Weiss |  Produktionsberatung Burkina Faso: Gerhardt Haag |Fachberatung Film & Festival: Jonida Laçi | Länder: Burkina Faso, Österreich | Länge: 73 min | Orig. Sprache: Deutsch, Französisch | Untertitel: Englisch, Deutsch, Französisch


Die preisgekrönte Theaterregisseurin Julia Gräfner reist im Herbst 2014 mit ihrem Grazer Schauspielensemble nach Burkina Faso, um dem europäischen Kulturbetrieb und ihrer eigenen künstlerischen Lähmung zu entkommen. Sie will „Dantons Tod“ inszenieren. In Ouagadougou angekommen, verwirft sie nach einem Straßentheaterauftritt das aus Europa importierte Konzept. Puppenbauer Michael Pietsch kämpft sich aus der Ensemblekrise mit einer neuen Idee: Er fertigt eine Marionette des 1987 ermordeten Präsidenten und Unabhängigkeitskämpfer Thomas Sankara an. Dessen vermeintlicher Mörder ist Blaise Compaoré, der seit 27 Jahren das Land autokratisch regiert. Als Proteste auf den Straßen von Ouagadougou ausbrechen, wird aus Fiktion Realität: Gräfner sieht sich als Speerspitze der Demonstrationen gegen korrupte Eliten. Die geschlossenen Landesgrenzen – das Militär hat gegen die demokratische Revolution geputscht – verhindern die Flucht der anderen Ensemblemitglieder. Sie treffen in einem Showdown auf Gräfner – in der Rolle ihres Lebens.

Die Revolution frisst ihre Kinder! (eine Produktion des Schauspielhaus Graz, AT/Burkina Faso, 73 min) ist der erste Spielfilm von Jan-Christoph Gockel und Team. Dem Film geht die gleichnamige Theaterproduktion voraus.

„Julia Gräfner ist eine Naturgewalt, könnte der Boulevard angesichts ihrer Präsenz in diesem Film titeln. Aber an dieser Formulierung ist was dran. Julia Gräfner als Julia Gräfner in der Meta-Film-/Theaterinszenierung „Die Revolution frisst ihre Kinder!“ ist eine kaum fassbare Figur. Wie sie im vielleicht verschachteltsten Diagonale-Beitrag der letzten Jahre Theaterspiel, Filminszenierung und reale Revolution in Burkina Faso für sich beansprucht und vereinnahmt, muss gleichermaßen als schauspielerische Großtat sowie als verschmitzt-gewiefter Kommentar auf Kunstwelt und (Post-)Kolonialdiskurs gelesen werden. Das Team rund um Theaterregisseur Jan-Christoph Gockel hat mit seiner Mockumentary einen fiktiv-dokumentarischen Sonderling geschaffen, der mal eben lässig Puppen- und Bühnenspiel sowie Leben in Graz, Europa und Burkina Faso miteinander verschaltet. Dem Schauspielhaus Graz ist damit ein Coup gelungen: ein mit dem Nestroy ausgezeichnetes Theaterstück, das als Film funktioniert. Ein Film, der als Theaterstück funktioniert. Ein Film, der als Film funktioniert. Kurzum: ein irrwitziges, größenwahnsinniges, brillantes multimediales Labyrinth. Darüber wird noch mehrfach zu reden sein!“ Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber, Festivalleiter, Diagonale

Hintergrund

Im Herbst 2014 stürzten Proteste in Burkina Faso den autokratisch regierenden Präsidenten Blaise Compaoré. Die Proteste gegen den seit 27 Jahren regierenden Präsidenten nahmen innerhalb einer Woche dermaßen zu, dass Compaoré am 31.10.2014 das Land verließ. Der Volksaufstand gilt als besonderes zivilgesellschaftliches Ereignis. Jan-Christoph Gockel hielt sich zu dieser Zeit in Burkina Faso auf. Im Rahmen des Festivals Les Récréatrales probte er gerade die Theaterproduktion COLTAN-FIEBER.

Für DIE REVOLUTION FRISST IHRE KINDER! reiste Jan-Christoph Gockel 2018 mit einem Team von Schauspielhaus Graz schließlich zurück nach Burkina Faso, um sich auf die Spuren der damaligen Revolution zu begeben und in Dialog mit den burkinischen Bürger*innen und Aktivist*innen zu treten. Im Zentrum der Recherchereise und des Filmdrehs standen die Fragen, was aus der Revolution 2014 geworden sei und wie sich das Land verändert habe. Protagonisten der Bürgerrechtsbewegung balai citoyen, u.a. Smockey kommen im Film zu Wort.