„Jeder, der hören wollte, hat hören können. Jeder, der wissen will, muss wissen. Wer nicht hörte, wollte nicht hören, wer nicht weiß, will nicht wissen. Wer vergisst, will vergessen.“ Ernst Toller
Ernst Toller und seiner Generation wird ihre Jugend durch den Ersten Weltkrieg geraubt. Wütend und mit verzweifeltem Mut versuchen sie 1918/19 einem verwüsteten Land eine politische und menschliche Perspektive zu geben. In München wird 1919 die Räterepublik ausgerufen. Die Versammlung von 50.000 Körpern erstreitet im öffentlichen Raum demokratische Rechte, formuliert vorher nie Gedachtes. Doch die Versuchungen des Totalitären sind zu groß. Das Neue krepiert. Die Inszenierung sichtet die Flaschenpost einer ungeheuerlichen Vergangenheit und verknüpft sie mit der brandaktuellen Frage von revolutionären Versuchen heute, in Belarus und anderswo. Jan Christoph Gockel spürt im Prinzip einer sechsteiligen Serie Tollers rastlosem Künstlerleben nach und wirft mit einem Mashup aus Puppenspiel, Film, Schauspiel und Musik einen Blick auf Tollers vergessenes Gesamtwerk.
„Es ist eine Hommage an einen Vergessenen – und was für eine: schnörkellos und üppig, klar und vogelwild, pathetisch und schwer expressionistisch. […] Gockel hangelt sich der Biografie entlang, aber widersteht der Versuchung sie stupide beim Wort zu nehmen. Er zerstückelt sie, löst sich vom Wortlaut, deutet nur an. Die Fugen kittet er mal unaufdringlich mit kurzem Tanz und Gesang, mal wuchtiger mit langen Filmsequenzen, mischt Traum und Realität. […] „Eine Jugend in Deutschland“ ist damit mehr als nur Toller-Bioplay – es ist ein Appell an die Gegenwart – und vor allem auch eine Huldigung an die expressionistischen, revueartigen Inszenierungen der Toller-Stücke in den Zwanzigerjahren.“NACHTKRITIK.DE, 16. OKTOBER 2020
„Ein Schwergewicht. […] Eine stilistisch disparate, vielstimmige, manchmal rätselhafte, aber aufregende Inszenierung.“
MÜNCHNER FEUILLETON, NOVEMBER 2020
„Jan-Christoph Gockel inszeniert „Eine Jugend in Deutschland“ nach dem 1933 erschienenen Roman von Ernst Toller. Doch eigentlich inszeniert er noch viel mehr: Er verwebt die Autobiographie des Autors mit seinen dramatischen Werken, […] sowie der Perspektive auf die Gegenwart. Biographisches, Historisches und Dramatisches vermengen sich zu einem Panorama Deutschlands im vergangenen Jahrhundert. Aus einer Jugend in Deutschland wird das Leben einer ganzen Generation in Deutschland.“
DIE DEUTSCHE BÜHNE, 17. OKTOBER 2020
„In knapp vier Stunden zeichnet Gockel ein melancholisches, fast zärtliches Porträt von Ernst Toller. […] Auf einer schlichten Drehbühne (Julia Kurzweg) erzählt er Tollers Leben in sechs Folgen, jede anders angelegt, als Film, Revue, politische Rede und Marionettentheater. […] „Eine Jugend in Deutschland“ ist ein kluger Abend und Toller ein von einem unermüdlichen Ensemble gespielter, kaum totzukriegender Utopist, der am Ende nicht verkraftet, dass die Welt wieder auf einen Krieg zusteuert.“
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, 19. OKTOBER 2020
„Eine Jugend in Deutschland“ heißt der fantasievolle Szenenreigen nach Ernst Tollers gleichnamigem autobiografischen Roman, den Jan-Christoph Gockel mit Menschen und liebevoll gebauten Gliederpuppen inszenierte. […] Natürlich geht es nicht bloß lustig zu in einem Stück, dessen Stoff für ausreichend Tragik sorgt: wenn aus den Schützengräben des Ersten Weltkriegs berichtet wird, wo die Lebenden neben den Leichen schlafen, ist es mucksmäuschenstill. Und wenn die Puppen, die eben noch in den Schulbänken saßen, mit Stahlhelm und Uniform antreten, um peu à peu in alle Einzelteile zerlegt zu werden, wirkt das gerade ihrer Spielzeug-Anmutung wegen besonders schauerlich. Rein optisch geht es zum Ausgleich kulinarisch zu dank traumhaft-surrealer Überblendungen von Videos mit dem realen Bühnengeschehen.“
FRANKFURTER NEUE PRESSE, 19. OKTOBER 2020
“The most impressive entry was Jan-Christoph Gockel’s production of “A Youth in Germany” (“Eine Jugend in Deutschland”), based on Ernst Toller’s autobiographical novel from 1933. […] In this sprawling production, Gockel in effect creates his own Expressionist play out of episodes from Toller’s rich biography and plays. […] “A Youth in Germany” invites us to compare the upheavals of a century ago with our own age of anxiety.”
THE NEW YORK TIMES, 22. OKTOBER 2020
Zusammen mit seinem langjährigen Verbündeten, dem Schauspieler und Puppenbauer Michael Pietsch, entfaltet Gockel ein zersplittertes Panorama der Erzählweisen, angefangen vom Spiel mit kindlichen Doppelgängerpuppen in der Weltkriegsszene über expressionistisches Verausgabungspathos, filmische Action, Halbdokumentarisches und märchenhafte Beschwörungsrituale.“
THEATER HEUTE, JANUAR 2021
Hintergrund
Podcast zur Produktion
Zum Gespräch von Jan-Christoph Gockel mit der Dramaturgin Viola Hasselberg geht es hier.