Schweizer Erstaufführung | Uraufführung als Trilogie

Trilogie der Träumer

Mit: Andri Schenardi, Mona Kloos, Benedikt Greiner, Marcus Signer, Philine Bührer, Michael Pietsch | Regie: Jan-Christoph Gockel | Bühne & Kostüme: Julia Kurzweg | Puppenbau: Michael Pietsch | Musik: Jacob Suske | Dramaturgie: Karla Mäder | Fotos: Annette Boutellier | Premiere: 14.09.2012 |



TRILOGIE DER TRÄUMER. Eine Collage aus drei Philipp Löhle Stücken – LILY LINK ODER SCHWERE ZEITEN, DIE KAPERER  und GENANNT GOSPODIN. Die drei Hauptfiguren der Trilogie sind Helden der Gegenwart, die davon träumen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen: Lilly träumt davon, den Menschen vor Augen, Nasen und Ohren zu führen, wie sehr deren Sinne in unserer Gesellschaft verkümmert sind. Dazu hat sie mit ein paar Freunden eine Art Guerilla gegründet, die mit technisch komplizierten und sicherheitsmäßig waghalsigen Aktionen die Sinne der Menschen stimuliert. Der junge Ingenieur Mörchen hat sich bei seinem besten Freund hoch verschuldet, um ein Haus zu bauen, das energieneutral ist und den Hochwasserschutz revolutionieren soll. Und Gospodin geht keiner regulären Erwerbsarbeit mehr nach, sondern mit seinem Lama spazieren. Und da er und das Lama den Menschen ja „etwas geben“, geben auch diese ihm manchmal etwas. Sein Traum ist eine Welt ohne Geld, in der die Wirtschaft auf Tauschgeschäften basiert.

Im Zentrum des Abends stehen Visionäre und Träumer. Erfinder, Weltverbesserer und Aussteiger. Und ein Lama, das in den Stücken Löhles eigentlich gar nicht vorkommt. Man kann neue Dramatik auch neu lesen.

Eröffnungsinszenierung der Schauspieldirektion von Iris Laufenberg am KonzertTheater Bern.
Eingeladen zum Heidelberger Stückemarkt 2013 und ausgezeichnet mit dem «Nachspielpreis»
Eingeladen zu den Mülheimer Theatertagen 2014.

"Die mehrfach gebrochene, eine ganze Reihe von Spielweisen präsentierende Aufführung mit ihren sieben extrem wandlungsfähigen Mitwirkenden und vielen überraschenden Wendungen ist außerordentlich unterhaltsam. Es wurde selten soviel gelacht in der Vilmar-Halle."
Nachtkritik.de, 14.09.2012

„Jan-Christoph Gockel versteht Löhles Stücke weniger als Inszenierungsvorlage denn als Angebot zum anarchischen Weiterspinnen.“
Berner Zeitung, 17.09.2012

„Humorvoll, mit aufspielendem Ensemble, dass es eine Freude ist.“
Neue Zürcher Zeitung, 18.09.2018

Hintergrund

Aus „Träumer, Spinner, Idealisten“, Karla Mäder

Es gibt sie noch, auch hier und heute: die Träumer, Idealisten, Utopisten, die die Welt revolutionieren, verändern oder wenigstens ein bisschen verbessern wollen. Zum Beispiel Pjotr, einen Berner Tüftler, der schätzungsweise 5 Jahre seines Lebens und 10 000 Franken investiert hat, um etwas zu erfinden, das es bisher nicht gibt, und der tausend Versuche, Prototypen und Fehlschläge später kurz davor steht, sein Produkt in Millionenauflage von einer europaweit agierenden Firma produziert zu sehen; oder Arnold, einen geschäftstüchtigen, weltoffenen Bauern aus Aeschi bei Spiez, der vor 20 Jahren angefangen hat, den väterlichen Milchkuhbetrieb umzubauen, und der inzwischen eine der größten Lama- und Alpakazuchten Europas besitzt; oder jenen Unbekannten, der neulich in der Matte folgende Weisheit an die Wand schmierte: „Wer will, dass die Welt bleibt, wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt.“ Sie alle sind Brüder (und Schwestern) im Geiste von Lilly, Mörchen und Gospodin, den drei Träumern aus Philipp Löhles „Trilogie“ – Idealisten, die bereit sind, Gewohntes infrage zu stellen.

Das Theater richtet seinen Blick oft auf das Negative, das Verderbliche und Verurteilenswerte. Die „moralische Anstalt“ (Schiller) entwickelt ihre Moral meist am Negativbeispiel, an dem, wie man es nicht machen sollte. Positive Utopien sind im Theater ausgesprochen selten zu finden, vielleicht weil sich tragisches und auch komisches Potenzial hauptsächlich am Scheitern entfalten.

(…)

Es ist eine der im zeitgenössischen Theater so seltenen positiven Utopien, die da gezeigt wird, weil diese drei Stücke von Menschen handeln, die für etwas einstehen, die kämpfen und sich aufreiben, die an etwas glauben, die leidenschaftlich, opferbereit und radikal sind. Man könnte sagen, es sind Spinner. Aber vielleicht sind die Spinner von heute ja die Visionäre von morgen?