Faso Fani – das Heulen des globalen Marktes

VERÖFFENTLICHT AM: Oktober 25, 2018

Ein Gastbeitrag von Jennifer Weiss, Dramaturgin und Projektleitung

Wir treffen den Aktivisten Amsa Sankara und eine Aktivistin vom Balai Citoyen in der ehemaligen Baumwollfabrik Faso Fani.

 

Ein riesiges, imposantes Gelände, das von Sträuchern zugewachsen ist. Wir spazieren bis ans Ende, wo uns ein Wächter den Schranken öffnet und uns in eines der Fabrikgebäude begleitet. Alte Spinds, Metallwannen, am Boden finden sich einzelne Spulen und ein Stundenbuch aus dem Jahr 1980.

 

 

« Le pagne du pays » / « Der Lendenschutz des Landes » : Jeden Morgen weckte die „Sirene von Faso“ die Arbeiter*innen in die größte Baumwollfabrik Burkina Fasos, mitten in Koudougou. 2001 wurde die Fabrik schlagartig aufgrund von Umstrukturierungsplänen durch die Weltbank und den IWF geschlossen. An die Fünftausend Menschen verloren ihren Job. Das Land verlor seine lokale Stofffabrikation. Seitdem rottet die leerstehende Fabrik vor sich hin. Stattdessen wurde der Markt geflutet mit billigen Polyesterstoffen, made in China.

Seit Februar 2018 gibt es nun im Zuge der Wahlkampagne des Präsidenten Roch Marc Christian Kaboré das Vorhaben, die Fabrik wieder zu öffnen. Allerdings in Überschreibung an den indischen Industrietextilchef Tarun Jain, der gleich drei Fabriken daraus machen möchte, mit großen Zielen zum Export.

Auf dem Weg in die Fabrikhalle folgt uns Clara, ein kleines Mädchen, das nebenan wohnt. Mit ihren Armen umklammert sie fest ein Schulheft. Auf dem Boden ein Heft auf Französisch, daneben ein Heft mit chinesischer Schrift. China und Indien zeigen sich als neue industrielle Investoren.

 

 

 

Kapitän Sankara setze sich im Zuge seiner Revolution 1984 stark für die lokale Baumwollproduktion ein: «Fabriziert in Burkina Faso, gewebt in Burkina Faso, genäht in Burkina Faso…» Unter Blaise Compaoré wurde der Vertrag –  P.A.S. – Programme d’Ajustement Structurel – in New York zur Öffnung des internationalen Marktes, zur Liquidierung der staatlichen Unternehmen zugunsten der privaten unterschrieben, um die Schulden des Landes zu begleichen…

In Europa werden Grenzen für Menschen, die einreisen möchten, geschlossen, Waren fließen dagegen ungehindert aus der EU auf andere Märkte. Waren dürfen passieren, Körper nicht. Um Thomas Sankaras Gedanken fortzusetzen: Wenn die Grenzen geschlossen sind, dann ganz.

Der junge Sankara Amsa, der sich im Vorstand des Balai Citoyen Koudougou engagiert, spricht mit Kraft dem Credo des alten Sankaras nach. Schließung der Marktgrenzen: Es braucht wieder einen autonomen Markt, der auf lokale Produktion für das eigene Land setzt. Es ist wichtig, die jungen Menschen zu motivieren, politisch tätig zu werden und sich für soziale Gerechtigkeit in seinem Land einzusetzen.

Maria stellt sich ebenfalls für ein Interview zur Verfügung. Als ich ihr Fragen stelle, bekommt sie nur spärlich Worte heraus. Sie steht wie erstarrt vor der Kamera. Sie sagt, dass sie beim Balai Citoyen dabei ist, um die Rolle der Frau in der Politik zu verändern. Vielmehr konnte sie nicht sagen. Nach dem Interview erzählt sie mir, dass es für sie nicht leicht sei als Frau zu sprechen, dass sie massiven Druck von der Familie bekommt, sich aus politischen Angelegenheiten rauszuhalten. Als Frau sei sie für die Familie zuständig, nicht für Politik! Es braucht Mut, sich als Frau, die nicht die selbstverständlich, selbstbewusste Fähigkeit zu sprechen in die Wiege gelegt bekommt, sich trotzdem vor die Kamera zu stellen, versuchen einen Laut zu machen, wenn auch leise, und Dinge zu verändern. Merci Maria pour le courage!

Plötzlich fiel mir wieder ein, dass wir mit unserer Theatercrew am 11. Oktober beim Konzert eines 10-köpfigen tollen Frauenorchesters namens „Les Sirènes Du Faso“ waren. So tauchen sie wieder auf, die Sirenen und zwar in blau-weißen Anzügen mit roter Krawatte. Auf dass die Frauen lauter singen und schreien als der Markt, der ihnen geboten wird.

– Ein Gastbeitrag von Jennifer Weiss, Dramaturgin, Projektleitung