von Elemawusi Agbédjidji
Ich suche den Ort, an dem das Meer den Rücken der Erde leckt. Eine Küste, die auf ihrer ganzen Länge von starken Wellen gepeitscht wird. Eine Küste, die die Meeresströmungen der Tiefsee erspürt und mit ihnen kommuniziert. Diese Küste trägt den Eisenaufbau, wie man einen Zahnstocher zwischen den Zähnen trägt. Die Landungsbrücke, eine gigantische Mole, die den Ozean an das Land bindet, der Steg, der das Gewicht des Kaisers trägt.
Es wird gesagt, dass diese Landungsbrücke die genaue Anzahl der Waffen und Soldaten kennt, die sich von der verdorbenen Milch Deutschlands ernährten und in die Kolonie eindrangen, um das Land und sein Volk zu unterwerfen.
Dieser Steg erwartet keine Eroberer mehr, er wartet nur noch auf seinen eigenen Verfall, sein Verschwinden. da muss ich hin. Denn ich habe etwas sehr Wertvolles in diesem kleinen Schächtelchen, das ich um den Hals trage. Egal zu welcher Tages- und Nachtzeit bildet sich – ohne dass ich weiß warum – eine Spur von Tränen und perlt meine Wange langsam hinunter. Ich kann ihr Gewicht auf meinem Gesicht spüren. Zwei große Tränen auf jeder Seite des Gesichts sind schwer. Sie machen meinen Kopf schwer und ziehen ihn herunter. Man sieht mich mit gesenktem Kopf. Und die Leute rufen mir nach: “Schaut nur, wie sie sich vor uns verbeugt!” Ich will das nicht mehr. Nein. Also nehme ich das Schächtelchen und lasse meine Tränen ganz tief hineinlaufen. Ich hoffe, dass ich das Gewicht so loswerden kann, aber nun spüre ich es im Nacken. Und ich kann nicht mehr atmen.
Diese Tränen müssen zu ihrer Quelle zurückkehren, damit sich der Kreislauf schließt.
Hier bin ich in der Verschmelzung von Zeiten, in der weder Vergangenheit noch Zukunft existiert, sondern in der gemeinsamen Gegenwart. Die Welt wird dadurch verändert, dass Menschen im Präsenz, in der Gegenwart handeln. Veränderung ist immer ein Akt der Gegenwart.