Uraufführung

Green Corridors / Зелені коридори

Mit: Svetlana Belesova, André Benndorff, Johanna Eiworth, Tanya Kargaeva, Maryna Klimova, Julia Slepneva | Live-Musik: Anton Berman | Live-Zeichnungen: Sofiia Melnyk | Regie: Jan-Christoph Gockel | Bühne: Julia Kurzweg | Kostüm: Sophie du Vinage | Musik: Anton Berman | Licht: Christian Schweig | Dramaturgie: Viola Hasselberg | Text: Natalka Vorozhbyt | Dramaturgische Beratung: Oksana Lemishka | Übersetzung Textfassung: Lydia Nagel | Regieassistenz: Dîlan Z. Çapan, Hannah Waldow | Regieassistenz Übersetzung: Yevgen Bondarsky | Bühnenbildassistenz: Nikolai Kuchin | Kostümassistenz: Kira Marx | Regiehospitanz: Paula Kraus |Bühnenbildhospitanz: Helene Kurzweg, Josephine von Collas | Inspizienz: Julia Edelmann | Soufflage: Jutta Masurath | Übertitelung: Agentur SprachSpiel – Yvonne Griesel | Technische Produktionsleitung: Adrian Bette | Künstlerische Produktionsleitung: Constantin Weidenbach | Fotos: Armin Smailovic



Maryna,  jetzt weiß ich es. Das Geheimnis von euerm Borschtsch. Das ist die Wut. Je wütender die Köchin, desto leckerer der Borschtsch.

Als „grüne Korridore“ wurden seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine zivile Fluchtkorridore für Menschen bezeichnet, um umkämpfte Gebiete zu verlassen. In ihrem Auftragswerk für die Münchner Kammerspiele, das Natalka Vorozhbyt inspiriert von eigenen Erlebnissen auf der Flucht geschrieben hat, machen sich 4 Frauen aus Charkiw, Tschernihiw, Butscha und Kyjiw auf den Weg nach Europa. Sie alle sind Zeuginnen von Zerstörung, Vergewaltigung und Tod, bis auf eine der Frauen, die ist Schauspielerin und hat nichts Schreckliches erlebt, – kann aber alles spielen. An der zentralen Figur der Schauspielerin entfaltet Vorozhbyt viele Konflikte, die innerhalb der Gruppe der Geflüchteten aufbrechen: Ist sie etwas Besseres, weil sie gar nicht auf der Flucht ist, sondern nur unterwegs zum nächsten Projekt? Ist sie eine Verräterin, weil sie jahrelang in gut bezahlten russischen Serien mitgespielt hat? Ist sie eine Opportunistin und Ignorantin, weil sie traumatisierten Mitgeflüchteten aufdrängt, endlich zu Bewerbungsgesprächen zu gehen oder sich durch kostenlose Kulturangebote weiterzubilden? Sieben Mal wird die Schauspielerin im Laufe des Stückes von ihren Mitreisenden symbolisch zur Strecke gebracht, sieben Mal muss sie büßen für unerträgliche Zumutungen, sieben Tode stirbt die Kunst in Zeiten des Krieges.

Natalka Vorozhbyt greift in ihrem neuen Stück dokumentarische Begebenheiten auf und fabuliert sie weiter, überhöht und verdichtet sie zu Bildern mit mythischen Kräften. Außerdem hält sie nicht nur ihren Landsleuten, sondern auch den Europäer*innen in GREEN CORRIDORS einen Spiegel vor. Ob auf dem Sozialamt, als Filmproduzentin oder als Arzt: Alle verheddern sich in ihrem Helfen-wollen, haben den Krieg nicht verursacht und wollen auch nicht, dass er sie in ihrem eigenen Frieden stört.

Was tun, wenn man ohne die Vergangenheit die Gegenwart nicht verstehen kann – aber mit Vergangenheit erst recht nicht? Die Schauspielerin macht einfach weiter:

“Ich bereite mich auf die nächste Szene vor“


Fragen an das ukrainische Ensemble in GREEN CORRIDORS / Зелені коридори

Für diese Produktion haben sich vier besondere Künstlerinnen aus der Ukraine als Gäste an den Münchner Kammerspielen verpflichtet. Welche Gedanken haben sie während dieser ungewöhnlichen Arbeit begleitet? Lesen Sie hier ihre persönlichen Antworten und Informationen zu den Biografien der Künstlerinnen. (von Viola Hasselberg, die gesamten Gespräche finden sich hier im digitalen Programmheft)

TANYA KARGAEVA

Я вважала, що не зможу робити щось в театрі про війну, але не говорити про війну в Україні неможливо. Тому минулий рік я не займалася акторством, а здебільшого працювала як педагог з українськими дітьми. Коли прочитала п’єсу, була вражена кількості іронії, асурбу та з тим любові до людей. Відчула, що треба спробувати повернутіся в профессію і зараз радію що не побоялася.

Ich dachte, ich könnte im Theater nichts über den Krieg machen, aber es ist ebenso unmöglich, nicht über den Krieg in der Ukraine zu sprechen. Deshalb habe ich letztes Jahr nicht geschauspielert, sondern hauptsächlich als Pädagogin mit ukrainischen Kindern gearbeitet. Als ich Natalka Vorozhbyts Stück las, war ich beeindruckt von dem Maß an Ironie, Absurdität und gleichzeitig von der Liebe zu den Menschen darin. Ich spürte, dass ich versuchen sollte, zur Schauspielerei zurückzukehren, und jetzt bin ich sehr froh, dass ich es getan habe.

SOFIIA MELNYK

Ich muss sagen, die Proben von“Green Corridors“ machen mir richtig viel Spaß. Ich habe es nicht erwartet, vor allem wegen dem Thema vom Stück. Es gibt sehr schwierige Teile in dem Stück, aber das Team von „Green Corridors“ ist so cool, dass man das Gefühl hat, man unterstützt einander um durch die schwierigen Teile durchzukommen. Und es gibt sehr witzige Teile, über die wir gemeinsam lachen können.

Als Zeichnerin finde ich besonders gut, dass die Schauspieler mit den von mir gezeichneten Sachen interagieren. So wird die Zeichnung nicht nur ein Designelement, sondern ein Teil der Erzählung.

Für mich ist das Stück zwar grotesk, aber auch sehr wahr. Ich habe einige Dialoge oder Situationen darin entdeckt, die ich oder meine Bekannten erlebt haben. Und ich finde es extrem wichtig, dass „Green Corridors“ nicht nur von den Schrecken des Krieges und von Traumata handelt, sondern von der Kraft der Menschen. Diese Geflüchteten sind nicht nur Opfer, sondern auch starke Frauen, die einen Willen zum Leben haben.

MARYNA KLIMOVA

Наш особистий досвід війни – це загальна трагедія всієї країни. Мені важко розділяти цей досвід на особистий чи неособистий. Кожна ситуація, яка прописана в тексті болісно відкликається в мені, як і в кожному з нас, мені здається.

Unsere persönliche Erfahrung des Krieges ist eine gemeinsame Tragödie für das ganze Land. Es fällt mir schwer, diese Erfahrung in persönlich oder nicht-persönlich zu unterteilen. Jede Situation, die in dem Text beschrieben wird, ist für mich schmerzlich spürbar, wie für jeden von uns, denke ich.

JULIA SLEPNEVA

Эта пьеса для меня не абстрактное произведение. Это моя сегодняшняя жизнь. Я лично знаю всех этих людей. Я вижу, как они меняются, как проламывают обстоятельства. Как из жертв становятся бойцами и как несут обретённую силу дальше, делясь ею со всеми.

Dieses Stück ist für mich kein abstraktes Werk. Das ist mein Leben heute. Ich kenne all diese Leute persönlich. Ich sehe, wie sie sich verändern, wie Umstände durchbrechen. Wie aus Opfern Kämpfer werden und wie sie die erworbene Macht weitertragen und mit allen teilen.