Macbeth

Mit Anika Baumann, Daniel Friedl, Lorenz Klee, Matthias Lamp, Henner Momann, Michael Pietsch, Johannes Schmidt, Leoni Schulz, Anna Steffens, Murat Yeginer |Regie: Jan-Christoph Gockel | Bühne: Julia Kurzweg | Kostüme: Sophie du Vinage | Puppenbau: Michael Pietsch | Musik: Matthias Grübel | Dramaturgie: Patricia Nickel-Dönicke |  Fotos: Bettina Müller | Premiere: 07.05.2016



„…als wollten Krieg sie mit den Menschen führen.“
William Shakespeare, MACBETH

Shakespeares Tragödie um das zu Macht strebende Paar Macbeth spielt in einer Endzeit kurz nach unserer Gegenwart. Die Menschheit bewohnt einen nahezu zerstörten Planeten und befindet sich im Kampf um die letzten Ressourcen. Erzählt wird aus der Perspektive der Hexen, die dabei zusehen, wie sich die Menschheit selbst zerstört. Als Spielmacher erwecken die Hexen Totes zum Leben: einen Raben, einen Fuchs und ein Reh. MACBETH als Rachegeschichte der Natur am Menschen: Hier führen die Tiere Krieg, Krieg gegen die Menschheit.

„Das Herrschaftsdrama hat sich in der Regie von Jan-Christoph Gockel zu einem Menschheitsdrama erweitert.“
Frankfurter Rundschau, Andrea Pollmeier, 09.05.2016

„Michael Pietschs Tierpuppen strahlen, anders als die rührend gemachten und intonierten Kinderpuppen, einen „Psycho“-Effekt aus (...), weil die Marionetten aus Tierpräparaten zu sein scheinen und ihre erbosten Laute aus dem Off das Unheimliche verstärken.“
Nachtkritik.de, Marcus Hladek, 08.05.2016

Hintergrund

Aus „Naturgestalten“, Patricia Nickel-Dönicke und Philippe Bender

Wann sehen wir uns in dieser Welt?
Bei Donner, Blitz, wenn Regen fällt?
Nach dem Chaos, nach dem Krieg,
und nach Untergang und Sieg.

Mit diesen apokalyptischen Versen beginnt Macbeth, der alte schottische Mythos um den Feldherrn Macbeth, der den Weissagungen dreier Hexen glaubt, die ihm die Königskrone versprechen und der daraufhin den rechtmäßigen König, seinen besten Freund Banquo und Macduffs Familie tötet.

Aus der Welt des Macbeth gibt es kein Entrinnen. Selbst die Natur trägt die Züge des Alptraums. Sie ist zäh und klebrig, sie besteht aus Schlamm und Naturgestalten, die wiederum Sinnbild für das Übernatürliche, die Einbildung und den Wahnsinn sind oder diesen evozieren.

Die Hexen in Macbeth gehören zur Landschaft und sind aus derselben Materie gemacht wie die übrige Welt, deren natürliche Ordnung durch den Mord an Duncan erschüttert ist. Machtgier, Schuldzuweisungen und Verrat stehen so in Verbindung mit einer ungeheuren Naturentfremdung, mehr noch, sie spiegeln sich sogar in Shakespeares Naturschilderungen wider: Die Welt Macbeths ist von Dunstschwaden erfüllt. Die Sonne ist in ihrem Umlauf gestört, die Tierwelt zeigt sich bösartig verändert. Die Erde stöhnt wie im Fieber, der Falke wird im Flug von der Eule zerhackt, die Pferde brechen aus den Umzäunungen aus, rasen wie Besessene, stürzen aufeinander und fressen sich gegenseitig auf.

Am Ende des Stücks tritt der sich bewegende Wald von Birnam auf, um die Stärke der Naturgesetze zu symbolisieren, um sich gegen die moralische Wüste von Macbeth zu richten. Die unbehaglichen Naturschauspiele werden so gleichsam Spiegelbilder der sich anbahnenden Tragödie in all ihren menschlichen, sozialen und ökologischen Zerrüttungen.

Die Natur ist auch und vielleicht gerade heute eines: Das Abbild eines rücksichtslosen Missbrauchs durch den Menschen. „Macbeth ökokritisch zu lesen, ist ein Versuch, die kulturellen Wurzeln der rücksichtslosen Behandlung unserer Umwelt offen zu legen, ein Versuch, einem über die Maßen kulturell bedeutenden Text wie dem Shakespeares eine „grüne Sensibilität“ einzuhauchen“, so Shakespeare-Forscher Richard Kerridge.

So seltsam uns das Bestreben der Figur Macbeth erscheinen mag, so real finden wir diesen Vorgang in unserer heutigen Welt wieder. Skandale über Abgase, Klimawandel, Waldrodung, Krieg um Wasser bis hin zu menschenunwürdigem Leben in sogenannten Müll-Ghettos geistern immer wieder durch die Medien. Wir nehmen diese Missstände durchaus wahr. Wir erforschen ihre Hintergründe, wägen ab und wir diskutieren sie. Immer wieder kommen wir zu ein und derselben Erkenntnis: Wir müssen etwas tun, etwas verändern, retten, was zu retten ist. Vielleicht tun wir etwas. Vielleicht auch nicht. Vielleicht wenden wir uns nicht so entschieden gegen die Verantwortung, die wir gegenüber nachfolgenden Generationen tragen, wie Macbeth es tut. Wägen wir jedoch Wohlstand und Komfort gegen dieses Verantwortungsbewusstsein ab, so sind wir ihm doch recht nahe. Nicht derart mörderisch, nicht im Blutrausch. Noch nicht.